Früh fachlich vernetzen

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René Großner ist Mitgründer des Aachener Architekturbüros WPA Bau- und Planungsbüro sowie Beauftragter für Jungabsolventen im Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure (BDB). Er weiß um die Vorteile des Vernetzens und gibt Empfehlungen für den eigenen Netzwerkausbau.

Herr Großner, warum sollte ich mich früh fachlich vernetzen?
René Großner: Ein gewachsenes fachliches Netzwerk hilft, Aufträge zu generieren und Partner für eine Zusammenarbeit an Projekten zu finden. Ein früher Netzwerkausbau erhöht die Jobmöglichkeiten – einfach indem ich bereits von meinen Kontakten angesprochen werde, mich zu bewerben, oder ich erfahre früh, wo vielversprechende Stellen entstehen. Die Fühler auszustrecken und sich mit etablierten Experten zu vernetzen, bietet auch berufliche Orientierung und zeigt ungeahnte Karrierewege auf. Über eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Praxissemester, bei Praktika (auch auf Baustellen) oder über die Mitarbeit als Werkstudent finde ich vielleicht eine Mentorin oder einen Mentor zur Planung meiner beruflichen Schritte. Über die Mitarbeit kann der Einstieg als festes Team-mitglied gelingen. Im Studium wie im Job gilt: Jemanden bei fachlichen Fragen konsultieren zu können, ist Gold wert. Die Arbeit der Planer ist geprägt von einem Abwägungsprozess zwischen dem an den Hochschulen erworbenen theoretischen Wissen, der eigenen Praxiserfahrung und der praktischen Expertise des Teams, den Normen und Vorschriften sowie den Anforderungen der Bauherrschaft an das umzusetzende Projekt. Welche Vorschriften muss ich zwingend umsetzen, welche sind im konkreten Projekt nachrangig oder widersprechen sich sogar? Hier kann die Rücksprache mit erfahrenen Fachleuten Zeit sparen und Absolventen helfen, eigene gute Praxisstrategien zu entwickeln. Unabhängig davon, welchen Karrierepfad ich einschlage, treffe ich beim Planen und Bauen auf unterschiedlichste Fachdisziplinen und Gewerke. Der Kontaktauf- und -ausbau sowie der Austausch untereinander hilft mir, die Positionen, Anforderungen und Erwartungshaltungen meiner Projektpartner aus einer Vielfalt anderer Disziplinen zu verstehen.

Warum ist dieses Verständnis so wichtig?
René Großner: Der Zugewinn an Empathie führt zu einem professionellen Umgang miteinander und kommt nicht von allein. Nicht umsonst sind die Themen Kommunikation am Bau und Mediation ein Dauerbrenner in den Fort- und Weiterbildungen der Berufskammern und Verbände. Frühzeitiges gegenseitiges Zuhören und Verstehen führen dazu, später gute Lösungen in der Projektumsetzung zu verhandeln, und schulen den interdisziplinären Blick. Gerade die Zusammenarbeit im BIM-Modell (Building Information Modeling) zeigt den Bedarf unter dem Brennglas.

Wie kann ich den Netzwerkausbau angehen?
René Großner: Ein gemeinsames Anliegen wie ein Projekt, die Arbeit im Team, der Einsatz für ein bestimmtes Thema ermöglichen den Aufbau von fachlichen Kontakten. Gerade die Zusammenarbeit an einem mit Leidenschaft verfolgten Thema oder im eigenen thematischen Schwerpunkt eignet sich, eigenes Fachwissen auszubauen und mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Neben der werkstudentischen Mitarbeit eignet sich hier auch der ehrenamtliche Einsatz. Um die Bekanntschaften auf eine vertrauensvolle Basis zu setzen, ist noch eine gewisse Regelmäßigkeit oder zumindest eine Wiederholung von Treffen hilfreich.

Wo kann ich mich vernetzen?
René Großner: An den Hochschulen empfehlen wir den Kontakt zu Kommilitonen, Alumni und den benachbarten Disziplinen zu suchen – zum Beispiel über gemeinsame studentische Projekte. Möglicherweise finde ich schon hier spätere Partner für die Umsetzung von Projekten. Unter Normalbedingungen sind Bau- und Planermessen, Tagungen, Fachvorträge, Fort- und Weiterbildungen, Baustellen- und Architekturexkursionen oder Networking-Formate wie Architects, not Architecture bestens für die Vernetzung geeignet. Mit der Teilnahme an Studierendenwettbewerben kann ich auf mich aufmerksam machen. Ehrenamtliches Engagement und die Mitgliedschaft oder Mitarbeit in Berufsverbänden bieten weiter ideale Bedingungen. Der Klassiker sind auch online bestens funktionierende thematische Arbeitsgruppen. Am Ende zählt vor allem, ins Gespräch zu kommen!

Und in Corona-Zeiten?
René Großner: Unter Pandemiebedingungen stehen Online-Formate mit Networking-Anteilen im Vordergrund. Das können Fachvorträge mit anschließenden Diskussionen und Fragerunden sein. Oder Online-Konferenzen und -Seminare mit interaktiven Parts wie Breakout-Rooms, in denen neue Bekanntschaften geschlossen werden können. LinkedIn, Instagram und soziale Medien mit der eigenen Zielgruppe spielen eine wichtige Rolle.

Was kann ich meinem Netzwerk anbieten?
René Großner: Die Berufspraxis lernt von Absolventen: Sie bringen mit ihrem individuellen Profil aus Praxiserfahrungen und akademischen Schwerpunkten frisches Wissen von den Hochschulen mit, dazu kommt ihr unverstellter Blick auf Planungsherausforderungen. Gerade die großen Themen klimafreundliches Bauen und die Digitalisierung beim Planen und Bauen erfordern ein Umdenken zu konventionellen Herangehensweisen. Man selbst ist zudem potenzieller Projektpartner. Kann ich deutlich machen, dass ich bereits ein eigenes Netzwerk habe, kann ich mich als Multiplikator oder Kontaktvermittler anbieten.

Welche Rolle spielen Berufsverbände bei der Vernetzung?
René Großner: Je länger das Studium zurückliegt, desto flüchtiger werden die Verbindungen zu ehemaligen Kommilitonen. Das Engagement in Fachschaften und Studierendennetzwerken wird abgelöst durch das wachsende Netzwerk beruflicher Kontakte. Berufsverbände verbinden Experten mit ähnlichen Interessen und helfen, die beruflichen Kontakte zu erweitern. Interdisziplinär aufgestellte Berufsverbände für Architekten und Ingenieure bringen durch ihre Mitglieder sehr breites fachliches Schwarmwissen mit. Verbände haben den Vorteil, nicht nur monothematisch ein Thema zu bearbeiten, sondern das komplette Themenspektrum ihrer Mitglieder abzudecken. Beim projektweisen Zusammenarbeiten in Arbeitsgruppen mit thematischen Schwerpunkten kann ich aktuelle Anliegen der Mitglieder mit Wissen voranbringen oder mir aneignen. Verbände sind die Schnittstelle in der berufspolitischen Interessenvertretung zwischen Berufskammern, der Berufspraxis und den politischen Entscheidungsträgern in Kommunen, Ländern und Bund. In diese Netzwerke kann ich meine Interessen einbringen und der Verband verleiht mir eine Stimme.

Verbände sind auch Schnittstellen zwischen den Planergenerationen. Welchen Vorteil hat das?
René Großner: Aufgrund der generationenübergreifenden Vernetzung von (angehenden) Planern lernt man voneinander durch Projekte, Mentoren oder einfach den fachlichen Austausch. Sehen wir uns die aktuellen Herausforderungen an: Pandemie-gerechtes Bauen, die Auswirkungen des Bauens auf den Klimawandel, die Schaffung bezahlbaren Wohnraums, generationengerechtes Wohnen, Migrationsbewegungen, bröckelnde Infrastruktur und die Verbindung von Stadt und Land. Diese großen gesellschaftlichen Themen können wir am besten gemeinsam mit den verschiedenen Blickwinkeln der Planerdisziplinen und den unterschiedlichen Erfahrungshorizonten der Generationen bewältigen.  me

 

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