Ein mutiger Schritt

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Der Weg in die Freiberuflichkeit ist kein leicht gefällter Entschluss. TALIS sprach mit
Alexander Schwab, Präsident der Vereinigung freischaffender Architekten Deutschlands (VfA) und Inhaber des Architekturbüros ASA Architekten in München, über den Traum vieler Berufseinsteiger, ihr eigener Chef zu sein.

Talis: Herr Schwab, welche Vor- und Nachteile bietet die Freiberuflichkeit Architekten und Bauingenieuren?
Schwab: Zu den großen Vorteilen der Selbständigkeit gehört, unabhängig von den Interessen anderer frei entscheiden zu können: Für wen will ich arbeiten? Wie will ich arbeiten? Was sollen meine thematischen und gestalterischen Schwerpunkte sein? Wie will ich mein Büro führen? Wie bringe ich Beruf und Familie in Einklang? Erweitere ich mein Tätigkeitsfeld? Engagiere ich mich vielleicht auch ehrenamtlich oder politisch? Doch neben Freiheit und Unabhängigkeit liegt der große Vorteil der Selbständigkeit im emotionalen Bereich. Erfolge sind persönliche Erfolge, die in besonderem Maße befriedigen und motivieren. Unabhängig davon lässt sich mit dem entsprechenden Engagement in der Selbständigkeit ein deutlich höheres Einkommen erzielen. Sie bietet damit auch die Möglichkeit einer besseren Absicherung im Alter. Klar ist auf der anderen Seite, dass die Freiberuflichkeit phasenweise größere Flexibilität, Risikobereitschaft und Einsatz erfordert – auch einmal bis spät am Abend oder am Wochenende. Immer wieder kann es Durststrecken geben, die der oder dem Selbständigen ein gutes Durchhaltevermögen abverlangen. Verträge und Honorare muss man selbst verhandeln und säumige Zahler selbst erinnern und auch einmal mahnen.

Talis: Für wen eignet sich die Freiberuflichkeit besonders?
Schwab: Für Menschen, die selbst gestalten wollen, die sich organisieren können und gerne eine Führungsrolle übernehmen. Für Menschen, die Abwechslung schätzen und über gute soziale Fähigkeiten verfügen. Und schließlich für Menschen, die ihre Themen voranbringen wollen, seien es gesellschaftliche Verantwortung, visionäre Technologien und mehr.

Talis: Welche Kompetenzen oder besondere Eigenschaften sollten Freiberufler Ihrer Ansicht nach unbedingt mitbringen?
Schwab: Selbstvertrauen hilft, dazu die Fähigkeit, gelassen zu bleiben, wenn es einmal hakt oder knirscht, Offenheit, ein wenig diplomatisches Vermögen und gute Networking-Skills. Keine Sorge, wenn nicht schon zu Beginn alles zusammen in gleicher Weise ausgeprägt ist – man oder frau wächst mit den Aufgaben, das haben wir alle an uns beobachtet.

Talis: Was gilt es, organisatorisch und rechtlich bei dem Schritt in die Selbständigkeit zu beachten?
Schwab: Das Wichtigste ist sicher, eine ausreichende Be-
rufshaftpflichtversicherung abzuschließen, die gerade am Anfang eine unverzichtbare Absicherung ist. Das Thema Versicherungen ist aber insgesamt von großer Bedeutung, da im Gegensatz zum Angestelltenverhältnis so gut wie alles freiwillig ist, auch die Krankenversicherung, die Pflegeversicherung und die Altersvorsorge. Ist man allerdings Mitglied einer Architektenkammer, dann ist man Pflichtmitglied in der Architektenversorgung. Ebenso sollte man für Unfälle oder Berufsunfähigkeit versichert sein.

Talis: Was müssen Selbständige über die Versicherungen hinaus bedenken?
Schwab: Für Architekten ist es notwendig, in die Architektenliste eingetragen zu sein, um auch die Bauvorlageberechtigung zu besitzen. Ohne sie ist man nur auf ein sehr kleines Spektrum an Bauaufgaben beschränkt und darf auch den Titel Architekt oder Architektin nicht führen. Die freien Berufe genießen zudem laut Einkommensteuergesetz steuerliche Vorteile. Freiberufler werden anders behandelt als etwa Gewerbetreibende, die ein Geschäft haben: Selbständige Architekten müssen keine Gewerbesteuer entrichten, solange sie keine Kapitalgesellschaft wie etwa eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gründen. Aus diesem Grund müssen sich freie Architekten auch nicht beim Gewerbeamt, sondern nur beim Finanzamt anmelden. Sogar von der Umsatzsteuer ist man befreit, wenn man unter einer Umsatzgrenze von 22.000 Euro im Jahr bleibt. Ist aber abzusehen, dass es mehr wird, ist es nicht nur wichtig, von den Auftraggebern zum Honorar auch die Umsatzsteuer zu verlangen – ebenso wichtig ist es, diese auch zurückzulegen, um sie dann an das Finanzamt abführen zu können. Das zu versäumen, ist einer der häufigsten Anfängerfehler.

Talis: Wie kann ein erfolgreicher Start in die Selbständigkeit gelingen?
Schwab: Mit Zuversicht und Gelassenheit, echtem Interesse an der Materie, mit den richtigen Ratgebern und einem soliden Businessplan. Die Übernahme eines bestehenden Büros mit einer gewissen Übergangszeit gemeinsam mit dem scheidenden Inhaber bietet gerade in unserer Zeit, in der viele Kolleginnen und Kollegen aus den geburtenstarken Jahrgängen in den Ruhestand gehen möchten und Nachfolger suchen, einen guten Start in die Selbständigkeit.

Talis: Wie unterstützen Sie Absolventen beim Thema Selbständigkeit?
Schwab: Wir, die Vereinigung freischaffender Architekten Deutschlands, bieten unseren Mitgliedern individuelle Beratung an, dazu auch die Mitwirkung in unserer Gruppe „Junge Architekten“. Wer sich für unsere Verbandsarbeit interessiert, kann gerne einmal bei den Jungen Architekten reinschauen oder Kontakt aufnehmen zu Lars Kauer (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) und Bernd Schenk (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!). Daneben bauen wir ein Mentoren-Programm auf, bei dem vfa-intern Anfänger von erfahrenen Kollegen gecoacht werden. Wir informieren beispielsweise über Fragen wie: Was sind rechtliche und organisatorische Anforderungen? Wie wirbt man für sich, was muss man bei der Akquise beachten, wie kann man sein Netzwerk erweitern, welche Tools braucht man für den Anfang, was sind Trends, die man im Auge behalten sollte? me

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